'Begreifen' im CERN

Schüler der Brandenburgischen Schule für Blinde und Sehbehinderte besuchen das CERN

Seit vielen Jahren besteht eine lose Verbindung zwischen der Brandenburgischen Schule für Blinde und Sehbehinderte und dem DESY Zeuthen. Schon oft wurde in dieser Schule im Physikunterricht über Hochenergiephysik berichtet, 1997 waren Schüler aus dem Physikkurs im DESY Zeuthen, 1998 im DESY Hamburg zu Besuch.

Im Sommer des vergangenen Jahres informierte der Physiklehrer, Herr Oelschläger, daß bei den Schülern der Wunsch besteht, das CERN zu besuchen. Sie hatten in den Vorträgen und während der Besuche im DESY viel vom CERN gehört, jetzt wollten sie hin.

Am Montag, den 24.1.2000 war es soweit, 15 Schüler kamen, drei blind, 12 mehr oder weniger sehbehindert. Es war ein großartiger Tag, alles hatte der Besucher-Service des CERN perfekt vorbereitet. Zuerst hielt Christoph Schäfer vom CERN einen kurzen Vortrag, dann ging es in die CERN-Ausstellung "Mikrokosmos". Schon dort gab es eine Menge zum Anfassen, zum Begreifen im wahrsten Sinne des Wortes. Die Strukturen eines Beschleunigers, die Formen eines Detektors waren bereits hier zu erfassen.

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Im Mikrokosmos

Nach dem Mittagessen ging es mit dem CERN-Bus zu L3, wo u.a. auch die Zeuthener L3-Mannschaft wartete. Das große Modell des Detektors war in die Mitte der Halle gehoben worden, so daß die Schüler ohne Gefahr herumgehen, es überall anfassen konnten. Hier war es u.a. wichtig, Punkte am Modell zu ertasten, die auch am realen Detektor 'begreifbar' waren, um mit diesem Vergleich eine Vorstellung von der wirklichen Größe des Detektors gewinnen zu können. Einer dieser Punkte war zum Beispiel die Schiene, auf der die 'Tür' des Detektors läuft, wenn er geöffnet wird. Alles anfassen, ausführliche Erläuterungen, Fragen folgten. Dann ging es zum Fahrstuhl und mit ihm nach unten. L3 war wohl noch nie so aufgeräumt. Es lag absolut nichts rum, nicht der kleinste Draht, keine einzige Stolperstelle oder Ähnliches. Jean Pothier hatte seine L3-Sicherheitsmannschaft aufgeboten, an jeder Ecke, die eventuell eine Gefahr darstellen konnte, stand ein Mann und schützte, Kanten waren gepolstert, Wege mit zusätzlichen Geländern gesichert.

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Im LEP-Tunnel

In kleinen Gruppen zu 2-4 Schülern ging es von der Mitte des Detektors zum Boden und dann ganz rauf nach oben. Auf jedem Treppenabsatz stand jemand, sicherte, wies weiter. An der anderen Seite gind es in den Detektor, in die Supporttube hineingegangen. Die Schüler konnten nicht nur alles anfassen, sie wurden regelrecht dazu aufgefordert, alles, aber auch alles zu begreifen, Strahlrohr, Kabel, Magnete, Pumpen. Dann weiter in den Tunnel, wieder Strahlrohr, Magnete, der sich ändernde Widerhall der Stimmen. Zu guter Letzt stiegen alle in die Einschienenbahn und fuhren 300 Meter weit in den Tunnel hinein. Wieder zurück, noch mal zu Fuß in den Tunnel, Fragen beantworten, sprechen. Dann die Fahrt nach oben, noch einmal zum Modell, Unklarheiten beseitigen. Nach zwei Stunden war die Führung ohne jedes Problem zu Ende. Es war toll, ein großer Erfolg.

Im CERN Bulletin stand danach: "... Rolf Maeder, who was responsible for organising the visit, confesses to a little apprehension but the visit turned out to be a resounding success. 'Everyone was delighted,' he explains, 'teachers, students and guides!' And the next time a special interest group calls to book a visit, the visits service will be ready."

Zeitungsartikel u.ä. zu diesem Besuch (u.a. der Artikel aus dem CERN Bulletin):     http://www.ifh.de/~schoene/

Text: Bert Schöneich
Fotos: CERN / Internet